Innovative Landwirtschaft in Schleswig-Holstein

Gemeinsam mit einer Gruppe von (Jung-)Landwirtinnen und Landwirten sind wir im Rahmen des Projektes Grazing4AgroEcology vom 05.11-06.11.2024 nach Schleswig-Holstein gefahren, um uns innovative landwirtschaftliche Methoden aus Forschung und Praxis anzusehen. Neben Agroforst, verschiedenen Weidehalte-Praktiken und saisonaler Blockabkalbung standen auch Themen wie der gespiegelte Kuhstall und das Techno-Grazing auf dem Programm.

Thünen-Institut: Der Versuchsbetrieb Trenthorst 

Gleich zu Beginn gab es mit dem Besuch des Versuchsbetriebes Trenthorst eine Reihe von spannenden Einblicken in verschiedene Themen. Die Versuchsflächen des Thünen-Instituts für ökologischen Landbau umfassen eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 474,9 ha (davon 122,6 Dauergrünland), 100 Milchkühen plus Nachzucht, 36 Zuchtsauen, 120 Mastplätzen, 360 Legehennen und 640 Masthähnchen. Dr. Friederike Fenger nahm die Gruppe in Empfang und gab einen Überblick über die Aktivitäten des Versuchsbetriebes und den Projekten der erst kürzlich gegründeten AG Grünland.

Anschließend erklärte Birte Conrad-Wagner das System des gespiegelten Kuhstalls, in dem zurzeit in zwei identisch aufgebauten Aufstallungen die Haltung von 50 behornten und 50 unbehornten HF-Kühen verglichen wird. Beide Gruppen haben täglich Weidegang auf arrondierten Flächen, auf denen die Rationen mithilfe einer Weidespindel zugeteilt werden. Eine weitere Besonderheit dieser Herde ist die muttergebundene Kälberaufzucht, die laut Conrad-Wagner 1500 kg Milch pro Kuh und Laktation koste, nach fünf Monaten aber sehr gesunde und gut entwickelte Kälber hervorbringe.

Als zweite Station besichtigte die Gruppe einen neu angelegten Agroforstversuch auf Dauergrünland. In diesem silvopastoralem System wurden Werthölzer wie z. B. Pappel oder Walnuss in gemischten Baumreihen im Abstand der doppelten Fahrgassenbreite angepflanzt. Die noch sehr kleinen Pflanzen sollen später vor allem Schatten für die Weidetiere spenden und den Wasser- und Nährstoffkreislauf aufrechterhalten. Bei der Diskussion wurde deutlich, dass regional verschiedene Ansprüche an Schatten durch Bäume auf den Weiden gestellt werden und einige Tiere einen gut belüfteten Bereich einem schattigen vorziehen würden.

Anschließend stoppte die Gruppe an einer Grünlandfläche, auf der die Ochsen der HF-Kühe gemästet werden. Die Tiere haben ein zusätzliches Futterangebot durch den Zugang zu Hecken, die zwischen den Schlägen wachsen. Es war deutlich zu erkennen, dass die Tiere diese zusätzliche Futterquelle gerne nutzen, jedoch seien der Futterwert und die tatsächlich zusätzlich aufgenommene Menge schwer zu quantifizieren.

Zum Abschluss wurde ein neu angelegter Versuch zur Trockenresilienz diverser Gräser und Kräuter in Reinsaat und Mischungen begutachtet. Hier werden in den nächsten Jahren Ertrags- und Qualitätsmessungen durchgeführt und die Wirkung von tiefwurzelnden Kräutern, wie z. B. Spitzwegerich oder Zichorie, hinsichtlich dieser Parameter erforscht. Damit endete der Besuch auf dem Versuchsgut des Thünen-Instituts.

Techno-Grazing auf Gut Rothenhausen

Als zweiten Betrieb des Tages besuchte die Gruppe das Gut Rothenhausen, auf dem eine Hofgemeinschaft einen Demeterbetrieb, mit Direktvermarktung von Gemüse, Backwaren, Milch und Milchprodukten sowie Fleisch aus hofeigener Schlachtung über Abonnements, Märkte und einen Hofladen, leitet. Die Herde von 24 rotbunten Holsteinern hat eine durchschnittliche Leistung von 5000 kg pro Kuh und Jahr. Zur Fütterung stehen insgesamt 20 ha Dauergrünland und 40 ha Kleegras zur Verfügung, das von März bis November als Portionsweide beweidet wird. Als besondere Innovation wurde das System des „techno-grazing“ vorgestellt, bei dem die Weidefläche in ca. 60 gleich große Weideabschnitte aufgeteilt und dann blitzlichtartig jeweils eine Parzelle pro Tag beweidet werden soll. Für schnelles Auf- und Abbauen der Portionsweide-Parzellen wurde ein sehr leichtes, jedoch wohl langlebiges Fiberglas-Weidezaun-System vorgestellt, dessen Inspiration aus Neuseeland kommt.

Roboter, Vollweide & Blockabkalbung

Am zweiten Tag ging es zum Grünhof von Jörg Riecken in Großbarkau. Dieser intensiv wirtschaftende Milchviehbetrieb hat viele Stellschrauben optimiert, um hochleistende Milchkühe von eigenem Futter zu ernähren und das Gras hocheffizient zu verfüttern. Das Ergebnis: Eine mittlere Jahresleistung pro Kuh und Jahr von 11.500 kg bei einem Vollweidesystem. Aktuell werden 105 Tiere vollautomatisiert mit drei Robotern gemolken. Hinzukommen ca. 40 Tiere Nachzucht. Beweidet werden 50-55 ha Grünland, hinzukommen 25 ha Ackerflächen für Silomais. Es wird großen Wert auf die Qualität des ersten Schnitts gelegt, da dieser den Grasanteil der Winterration bildet, die sich aus 30 % Gras und 70 % Mais zusammensetzt. Pro laktierende Kuh werden zusätzlich 4 kg Soja-/Rapsschrot pro Tag gefüttert.

Eine möglichst hohe Fruchtbarkeit und Klauengesundheit sind die primären Zuchtziele seiner Holstein-Herde. So ist die Anzahl nicht tragender Nachzucht mit 10-14 Tieren pro Jahr zwar relativ hoch und die Nutzungsdauer liegt bei rund 5,3 Jahren; dafür ist allerdings keine Klauenpflege erforderlich. Um die Grasqualität bestmöglich auf den hohen Energiebedarf während der Laktation abzustimmen, wird ab Herbst – beginnend ab Mitte September – innerhalb von 3-5 Monaten gekalbt (Herbst-/Winter-Blockabkalbung). Durch die Kombination aus automatisierten Melkungen, den arrondierten, hofnahen Flächen und eigenem Maschinenpark, der einen von Lohnunternehmen unabhängigen mechanisierten Arbeitsablauf ermöglicht, konnte der Betrieb die Arbeitsbelastung deutlich senken.

Versuchsbetrieb Lindhof: Ökologische Vollweidewirtschaft auf Ackergras

Auf dem ökologischen Versuchsbetrieb „Lindhof“ der Universität Kiel ist die Grünlandwirtschaft mit Tierhaltung seit ihrer Aufgabe im Jahr 1970 ein relativ junger Zweig, der erst wieder 2015 im Rahmen der Einführung einer ökologischen Vollweidewirtschaft auf Ackergras mit Milchkühen aufgenommen wurde. Aus Dänemark wurden dafür reinrassige Jerseys eingeführt, die in den Folgegenerationen mit Anglern und EBI Holsteins angepaart wurden. Den 170 Tieren (inkl. Nachzucht) stehen 110 ha Weideland zur Verfügung. Der Fokus wird auf niedrige Kosten in der Milchproduktion, ein effizientes Nährstoffmanagement und ertragreiche Futterpflanzen gelegt, sodass neben einer auf Vollweide angepassten Weidegenetik Kleegrasmischungen, Zichorie und Spitzwegerich einen hohen Anteil in der Narbenzusammensetzung einnehmen.

Der Weidebeginn findet im zeitigen Frühjahr statt, dabei werden alle Flächen überweidet und danach schrittweise für den ersten Siloschnitt rausgenommen. Nach der ersten Weiderotation werden den Milchkühen Portionen im Sinne einer klassischen Umtriebsweide zugeteilt. Es wird darauf geachtet, dass die Bestände ca. 7 cm Aufwuchshöhe aufweisen, überständige Weiden werden für einen Ballenschnitt aus der Rotation genommen. Ab Juli übernehmen Zichorie, Spitzwegerich und Rot- sowie Weißklee größere Ertragsanteile in der Vollweideration und sichern eine gute Sommerweidesaison. Die hohen Grasanteile und die geringen Kraftfuttergaben fordern ein besonderes Augenmerk auf die Azidose-Neigung der hochleistenden Milchkühe. In den letzten Jahren wurden mehrere Möglichkeiten zur Pufferung im Pansen versucht und es hat sich die Zufütterung von betriebseigenem Biomais als effektivsten herausgestellt. Die artenreichen Weiden (Ackergras) stehen in einer Fruchtfolge mit Hafer, die als Deckfrucht zur Etablierung als Untersaat genutzt wird. Dabei werden die Kleegrasmischungen im späten Frühjahr (Mai) in den Hafer untergesät und stehen nach Räumung als Futtergrundlage für drei Jahre den Kreuzungstieren zur Verfügung.

Bei der Führung über die Weideflächen wurde erklärt, dass die reinrassigen Linien von Jersey und Angler sehr gut mit der Vollweide und der saisonalen Abkalbung zurechtkommen. Wie zuerst im Versuchsaufbau geplant, sollten alle Tiere mit der typischen irischen Weidegenetik dreifach gekreuzt werden. Allerdings hat sich herausgestellt, dass die reinrassigen Tiere ebenso gut in das System am Lindhof an der Eckernförder Bucht passen. In den nächsten Jahren versuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Abkalbesaison verstärkt in den Herbst zu verlagern, da sie dadurch das höhere Leistungspotential der reinrassigen Tiere ausschöpfen können, wodurch sich das hiesige System von dem irischen Vollweidesystem unterscheidet.